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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 256: Heiße Tage am Arbeitsplatz II

Der Fall

    Arbeitgeberin Annette von Droste hat wunderschöne Betriebsräume im Herbst angemietet mit großen Fenstern, Helligkeit und Südhanglage. Im Sommer aber knallt die Sonne auf das Gebäude und heizt die Räume auf 30 Grad und mehr auf.
    Arbeitnehmer Schopenhauer ist sonnen- und wärmeempfindlich. Er kann kaum noch arbeiten und verlangt hitzefrei bei voller Bezahlung.
    Arbeitnehmern Charlotte Buff ist von Johann Wolfgang im 6. Monat schwanger. Sie leidet sehr unter der Hitze und will von den großen Fenstern weg.
    Arbeitnehmer Fjodor Ivanovic war schon im Winter recht durstig. Jetzt fordert er von Arbeitgeberin Annette wegen der Hitze kostenlose Getränke aller Art.
    Dem Betriebsrat Guiseppe Verdi hat es bei den hohen Temperaturen fast die Stimme verschlagen. Er macht ein Mitbestimmungsrecht geltend und verlangt von Annette das Anbringen von Sonnenjalousien, die Einführung von Nachtarbeit, kostenlose Getränke für alle und eine bezahlte verlängerte Mittagspause mit Liegestühlen unter schattigen Bäumen.
    Arbeitgeberin Annette ist verzweifelt. Sie will die Räume wieder kündigen, wenn sie eine andere Betriebsstätte findet. Kurzfristig bietet sie den Arbeitnehmern Kurzarbeit an, allerdings bei voller Lohnkürzung.

Die Lösung

4. Arbeitsstättenverordnung

    Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) gilt für alle Betriebe in der Bundesrepublik mit Ausnahme der Bergwerke, des Reisegewerbes und Marktverkehrs, von Transportmitteln im Öffentlichen Verkehr und für Felder und Wälder von landwirtschaftlichen Betrieben sowie mit Ausnahme des Bundeskanzleramtes und diverser Bundesministerien.
    Arbeitsstätten können sich in Gebäuden oder im Freien befinden. Arbeitsplätze sind die Bereiche von Arbeitsstätten, in denen sich Beschäftigte regelmäßig und nicht nur kurzfristig aufhalten.
    Die Arbeitsstättenverordnung ist am 12. August 2004 neu gefaßt und ausgedünnt worden.
    Nach § 3 Abs. 1 ArbStättV hat die Arbeitgeberin dafür zu sorgen, daß die Arbeitsstätten den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihres Anhangs entspricht. Die Arbeitsstätten müssen so betrieben werden, daß von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Wendet die Arbeitgeberin die Regeln nicht an, so muß sie durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen.
    Damit bleibt die Arbeitsstättenverordnung jedenfalls zunächst ähnlich vage und unbestimmt wie § 618 Abs. 1 BGB.
    Die alte Vorschrift des § 6 ArbStättV, wonach eine „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ herrschen muß und bei starker Hitzeentwicklung diese „im Rahmen des betrieblich Möglichen auf eine zuträgliche Temperatur gekühlt werden“ muß, besteht nicht mehr.
    Allerdings gibt es einen Anhang zu § 3 ArbStättV neuer Fassung. In Ziffer 3.5. des Anhangs verlangt der Gesetzgeber eine „gesundheitlich zuträgliche“ Raumtemperatur.
    Aus diesen Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung folgt, daß der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare und technisch Mögliche unternehmen muß, um jedenfalls Gesundheitsgefährdungen oder gar Gesundheitsbeeinträchtigungen der Mitarbeiter zu vermeiden.

5. Arbeitsstättenrichtlinien

    In einer Übergangszeit von maximal 6 Jahren (2012) gelten noch die Arbeitstätten-Richtlinien zur Arbeitsstättenverordnung alter Fassung weiter.
    Dort findet sich zur Frage der Raumtemperaturen die Arbeitsstätten-Richtlinie Raumtemperaturen / ASR 6. Zur Frage der Höchsttemperaturen in Betriebsstätten besagt die Ziffer 3.3 der ASR 6:
    „Die Lufttemperatur in Arbeitsräumen soll Plus 26 Grad Celsius nicht überschreiten. Bei darüberliegender Außentemperatur darf in Ausnahmefällen die Lufttemperatur höher sein.“
    Weiter regelt die Ziffer 3.4 der ASR 6, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, an Fenstern oder Oberlichtern wirksame Schutzvorkehrungen gegen direkte Sonneneinstrahlung vorzunehmen.
    Dies bedeutet, daß die Arbeitgeberin Annette insbesondere die an der Fensterfront tätigen Mitarbeiter Schopenhauer und Charlotte Buff durch Sonnenjalousien, Sonnensegeln oder ähnliche Maßnahmen vor der Sonne schützen muß. Dies gilt jedenfalls so weit, wie diese Maßnahmen technisch möglich und der Arbeitgeberin Annette wirtschaftlich zumutbar sind.
    Achtung: Eine der Möglichkeiten, um die Raumtemperatur herabzusetzen, ist schlicht das Öffnen von Fenstern oder Türen, sofern die Außentemperatur niedriger ist, als die Raumtemperatur. Dabei ist jedoch zu beachten, daß Zugluft entstehen kann. Nach Ziff. 5.1 der ASR 6 ist bestimmt, daß Arbeitnehmer keiner vermeidbaren Zugluft ausgesetzt sein dürfen. Hier muß also beim Öffnen von Fenstern oder der Einführung eines Gebläses abgewogen werden zwischen der Hitze einerseits und der Beeinträchtigungen oder Schädigungen durch Zugluft andererseits.

6. Vermieterpflichten und Kündigung

    Annette von Droste ist Mieterin der Gewerberäume. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem vergleichbaren Fall durch Urteil vom 18.10.1994 entschieden, daß ein Arbeitgeber in gemieteten Gewerberäumen vom Vermieter bei zu hohen Raumtemperaturen Nachrüstung oder Maßnahmen verlangen kann wegen Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjekts. Dies gilt nach dieser Entscheidung jedenfalls dann, wenn bei einer Außentemperatur von 32 Grad Celsius die Innentemperatur nicht wenigstens 6 Grad weniger beträgt, als die Außentemperatur. Das Oberlandesgericht ging davon aus, daß der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in diesem Falle nicht beschäftigen dürfe.
    Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf in einem ähnlichen Fall (Urteil vom 4.6.1998) soll die dauernde und krasse Überschreitung der Grenze von 26 Grad Celsius sogar zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigen. Das OLG Düsseldorf ging dabei von einer Gesundheitsgefährdung der Personen aus, die sich länger in Räumen mit solcher Hitze aufhielten.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug