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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 57: Der „Low-Performer-Fall“.
Kündigung wegen Schlechtleistung I

Der Fall:

    Friseurmeisterin Pandora stellte in ihrem Salon die Friseurin Andromeda ein. Laut Qualifikationsnachweis war sie besonders ausgebildet in Hochzeits- und Jugendfrisuren.
    Neben einem Grundgehalt zahlte Pandora Leistungsprämien nach Umsatz. Dabei stellte sich heraus, daß Andromeda trotz Ermahnungen laufend etwa 40 % unter dem vergleichbaren Umsatz der Kolleginnen lag.
    Als sich nach 2 Abmahnungen noch immer nichts besserte, kündigte Pandora die Mitarbeiterin Andromeda verhaltensbedingt wegen Schlechtleistung. Andromeda klagte und trug vor Gericht zu ihrer Rechtfertigung vor, daß sie besonders gründlich und hervorragend gut arbeite. Deshalb könnte sie nicht das Tempo der anderen erreichen. Außerdem schnappe ihr die Abteilungsleiterin Elektra wie ein „schlitzäugiger Raffzahn“ stets die besonders umsatzträchtigen Kundinnen vor der Nase weg.
    Ist die Kündigung gerechtfertigt?

Die Lösung:

1. Verhaltensbedingte Kündigung

    Das Kündigungsschutzgesetz gilt in allen Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern. Nach § 1 Abs. 2 KSchG darf der Arbeitgeber trotz Kündigungsschutz verhaltensbedingt kündigen. Für eine verhaltensbedingte Kündigung müssen Umstände vorliegen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.
    Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechtswidrige oder vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet. Dabei ist regelmäßig Verschulden des Arbeitnehmers erforderlich. Die Leistungsstörung muß dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Ist dies der Fall, so genügen Umstände, die einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen und bestimmen können.

2. Abmahnung

    In der Regel müssen einer verhaltensbedingten Kündigung eine oder mehrere Abmahnungen vorausgehen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers so grob rechtswidrig war, daß ein verständig denkender Arbeitnehmer nicht mehr mit einer Abmahnung zu rechnen brauchte (Beispiel: Straftaten, massive wirtschaftliche Schädigung).
    Eine Abmahnung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers konkret aufzeigt und ihm für die Zukunft bei weiteren Fehlverhaltensweisen rechtliche Schritte oder eine Kündigung androht.
    Wie viele Abmahnungen notwendig sind, hängt vom Einzelfall und von der Schwere der Vertragsverletzungen ab.
    In unserem Fall hat Arbeitgeberin Pandora die Mitarbeiterin Andromeda 2 Mal wegen Schlechtleistung abgemahnt, ohne Erfolg. Dies kann bei gravierender Schlechtleistung durchaus ausreichend sein.

3. Schlechtleistung

    Auch Schlechtleistungen von Arbeitnehmern, die auf Vertragsverletzung oder Pflichtverletzung beruhen, sind geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen, im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.
    Fraglich ist in vielen Fällen, wann eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist. Dies kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen und noch schwieriger darzulegen oder nachzuweisen sein.
    Die Frage der Schlechtleistung ist zunächst nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu beurteilen! Die Parteien können im Arbeitsvertrag festlegen, welche Art von Arbeitsleistung in welchem Tempo, in welcher Weise, in welcher Güte etc. zu erbringen ist.
    Es ist jedoch wirklichkeitsfremd, anzunehmen, daß dies in den Arbeitsverträgen so exakt bestimmt ist oder bestimmt werden kann. Nur in ganz speziellen Tätigkeitsfeldern wird die geschuldete Arbeitsleistung nach Art, Menge, Tempo, Qualität etc. genau festgelegt sein.
    In den meisten Verträgen ist höchstens die generelle Tätigkeit genannt, z.B. Einzelhandelskauffrau, Friseurin, Biologielaborant, Lehrkraft, Arbeiter. In vielen Fällen ist noch nicht einmal die Tätigkeit an sich bezeichnet. Im öffentlichen Dienst findet sich zumeist nur die Vergütungsgruppe des Arbeitnehmers im Vertrag.
    So ist Andromeda lediglich als Friseurin angestellt worden, ohne weitere Zusätze im Arbeitsvertrag.

4. Direktionsrecht

    Ist – wie in den meisten Arbeitsverträgen – weder der Menge noch der Qualität nach näher bestimmt, so werden die Leistungsbestimmung und der Leistungsinhalt in der Praxis regelmäßig durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers festgelegt. Aus den Anweisungen ergibt sich der Arbeitsinhalt des Arbeitnehmers.
    Zum anderen aber bestimmt sich der Arbeitsinhalt und vertragliche Verpflichtung der Arbeitnehmerin auch nach deren persönlichem, subjektiven Leistungsvermögen.
    Hierbei kann es viel Streit geben. Als objektive Maßstäbe dienen deshalb zur Leistungsbestimmung u.a.
    – das objektivierbare Tätigkeits- und Berufsbild der Branche,
    – bei Ausbildungsberufen die Ausbildungsinhalte,
    – der Arbeitsinhalt und Tätigkeitsumfang der entsprechenden Berufsgruppe innerhalb des Betriebes, Unternehmens oder der Branche.

     

>> Nächste Folge: Der “Low-Performer-Fall” - Kündigung wegen Schlechtleistung II.
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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug