Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 85: Betriebliche Altersversorgung / Riester-Rente - was ist das?

Der Fall:

    Steffi beschäftigt im Rahmen ihres Tenniszirkusses als Arbeitnehmer die Spieler Boris, Serena und Venus.
    Alle 3 Arbeitnehmer bedrängen Steffi, für sie eine betriebliche Altersversorgung einzuführen. Aufgrund der diversen Rentenreformen sind sie verunsichert über ihr späteres Renteneinkommen. Sie wollen ihr Dasein nach Wimbleton und Tenniszirkus finanziell so gut wie möglich abpolstern.
    Boris verlangt, daß Steffi die Altersversorgung alleine finanzieren soll. Serena hat schon mal etwas von Entgeltumwandlung gehört. Venus schwärmt von der Riester-Rente, auch wenn sie nicht genau weiß, was sie erwartet.

Die Lösung:

1. Begriffsverwirrung

    Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung herrscht mittlerweile aufgrund des unüberschaubar gewordenen Wildwuchses eine entsprechende Begriffsverwirrung. Kaum ein betroffener Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Betriebsrat finden noch durch das Dickicht der Begriffe und der Möglichkeiten.
    Was verbirgt sich hinter Betriebsrente, betrieblicher Altersversorgung, Direktzusage, Direktversicherung, Entgeltumwandlung, Pensionskasse, Unterstützungskasse, Riester-Rente etc.?
    Für Millionen betroffener Arbeitnehmer, aber auch für Betriebsräte und Arbeitgeber ist es wichtig, die Grundbegriffe zu klären und den Weg durch den Dschungel zu finden. Dabei sollen die nächsten Folgen helfen.

2. 3-Säulen-Theorie

    Das Altersversorgungssystem der Bundesrepublik gründet für Arbeitnehmer auf die 3-Säulen-Theorie. Für Beamte und selbständige Unternehmer etc. gelten andere Regeln.
    Die 1. Säule der Altersversorgung von Arbeitnehmern ist seit Bismarck die Sozialversicherungsrente. Diese Säule bröckelt jedoch seit langem. Zwei Gründe dafür liegen in der Bevölkerungsentwicklung: Die Lebenserwartung der Menschen ist enorm gestiegen. Dazu gegenläufig ist die Zahl der Kinder und jungen Arbeitnehmer, d.h. der zukünftigen Beitragszahler, stetig gesunken.
    Als Ergänzung der Sozialversicherungsrente ist in vielen Unternehmen eine betriebliche Altersversorgung (auch Betriebsrente genannt) eingeführt worden. Die Betriebsrente war in der Vergangenheit stets eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Sie dient als Ergänzung der Sozialversicherungsrente (2. Säule). Sie soll die Versorgungslücke zwischen der Sozialversicherungsrente und dem letzten Nettoeinkommen teilweise auffüllen. Historisch ist sie älter als die Sozialversicherungsrente. Erste Betriebsrentensysteme finden sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Montan- und Metallindustrie.
    Als 3. Säule fungiert die Eigenvorsorge des Arbeitnehmers. Vor allem bei gutverdienenden Arbeitnehmern über der Beitragsbemessungsgrenze ist die Versorgungslücke besonders groß im Alter. Dies gilt auch für Arbeitnehmer mit geringer Sozialversicherungsrente, wegen geringer Beitragszahlung oder zeitweiser Selbständigkeit. Eine typische Form der Eigenvorsorge ist die Lebensversicherung, aber auch der Erwerb von Immobilien oder Sparguthaben.

3. Versorgungslücke

    In den letzten 20 Jahren ist der Zeitraum zwischen den einzelnen Rentenreformen immer kürzer geworden. Zuletzt erlebten wir das Rentenreformgesetz 1999 und nun das Altersvermögensgesetz 2001 mit der “Riester-Rente”.
    Der Beweggrund für diese “Reform” ist die steigende Belastung der Rentenversicherung und die ungünstige demographische Entwicklung. Alle Reformen führen im Ergebnis zu einer Entlastung der gesetzlichen Sozialversicherungsrentenanstalten und damit zu einer Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus. Sie führen damit letztendlich zu einer Vergrößerung der Versorgungslücke, d.h. der Differenz zwischen dem letzten Nettoeinkommen eines Arbeitnehmers und der zu erwartenden Sozialversicherungsrente.
    Aus diesem Grunde ist die Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung und der Eigenvorsorge des Arbeitnehmers, d.h. der 2. und 3. Säule der Altersversorgung in den letzten Jahren enorm gestiegen.

4. Wer soll zahlen?

    Zur Sozialversicherung (1. Säule) zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hälftig die Beiträge. Durch diese Kostenbelastung ist für viele Arbeitgeber schon eine Grenze der Belastbarkeit erreicht.
    Die Eigenvorsorge (3. Säule) muß jeder Arbeitnehmer alleine tragen aus einem Einkommen, für das er bereits Steuer und Sozialversicherung bezahlt hat. Für Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen ist es kaum möglich und zumutbar, die Versorgungslücke im Alter durch die 3. Säule zu schließen. Sie benötigen Unterstützung.
    Die betriebliche Altersversorgung (2. Säule) wurde in der Vergangenheit durch den Arbeitgeber als freiwillige Leistung zumeist alleine finanziert. Mittlerweile laufen durch die zunehmende Rentnerzahl für die Unternehmen erhebliche Belastungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf.
    Dies hat zum einen dazu geführt, daß durch diese sich in der Zukunft noch steigernde Kostenbelastung kaum noch ein Arbeitgeber bereit ist, eine betriebliche Altersversorgung neu einzuführen oder die bestehende betriebliche Altersversorgung zu verbessern. Zum anderen hat die Kostenbelastung aus der betrieblichen Altersversorgung dazu geführt, daß viele Arbeitgeber versuchen, ihre Versorgungszusagen abzusenken, die Leistungen zu verschlechtern oder zumindest das Versorgungswerk zu schließen. Dies bedeutet, daß neu eintretende, insbesondere jüngere Arbeitnehmer entweder gar keine betriebliche Altersversorgung bekommen oder nur eine verschlechterte Version. Andererseits aber müssen die Jungen die Versorgungslasten für die älteren Arbeitnehmer und deren Betriebsrenten erarbeiten.
    Diese Situation hat insbesondere in den neuen Bundesländern dazu geführt, daß dort die betriebliche Altersversorgung kaum oder nur in geringem Maße vertreten ist. Dieser Umstand kann zu erheblichen sozialen Problemen in der Zukunft führen.

5. Entgeltumwandlung

    Um diesem Dilemma zu begegnen, hat die Rechtsprechung und - nachgezogen - der Gesetzgeber die Entgeltumwandlung als Sonderform der betrieblichen Altersversorgung zugelassen.
    Die Entgeltumwandlung im klassischen Sinne bedeutet, daß der Arbeitnehmer auf Bruttoentgeltbestandteile verzichtet, der Arbeitgeber diese Bestandteile steuer- und sozialversicherungsfrei auf ein Alterskonto des Arbeitnehmers anlegen kann. Dieses Entgelt ist dann erst bei Rentenbezug mit vergünstigten Konditionen zu versteuern.
    Die neueste Variante der Entgeltumwandlung ist die “Riester-Rente”. Dabei allerdings kann nur Nettovergütung angelegt werden. Dies ist eine Verschlechterung! Zum Ausgleich erhält der Arbeitnehmer staatliche Zuschüsse. Reicht dieser Ausgleich, um die Nachteile aufzufangen? Ist die “Riester-Rente” attraktiv? Näheres dazu in den nächsten Folgen.

>> Entgeltumwandlung oder Riester-Rente? - Vorteile?
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug