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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 173: Hartz IV - Arbeitslosengeld II (2)

Der Fall:

    Bei Arbeitslosengeld II-Beziehern reicht die normale Regelleistung zum Lebensunterhalt nicht aus. Buffalo Bill ist wegen Billy the Kid Alleinerziehender. Außerdem braucht er nach seinem Abschied von der Prärie ständig Psychopharmaka.
    Winnetou hat im Alter einen erhöhten Heizbedarf. Er braucht im Winter die trockene Wärme von Arizona, also mindestens 32 Grad Durchschnittstemperatur in der Wohnung. Old Shatterhand war die Weite der Prärie gewöhnt. Um Depressionen vorzubeugen, benötigt er deshalb mindestens 100 qm Wohnfläche.
    Buffalo Bill hat keinerlei Eigenreserven mehr. Wenn er auswärts eine zumutbare Arbeit aufnehmen soll, braucht er dringend Zuschüsse für Fahrkosten und Übernachtung sowie für Kinderbetreuung wegen seines halbwüchsigen Billy.

Die Lösung:

1. Mehrbedarf

    Nach § 21 SGB II werden neben der Regelleistung zum Lebensunterhalt auch Mehrbedarfe ausgeglichen, die dadurch nicht abgedeckt sind. Dies gilt insbesondere für Mehrbedarf bei werdenden Müttern und alleinerziehenden Personen, sofern die Kinder minderjährig sind.
    Behinderte Hilfsbedürftige haben ebenso Anspruch auf einen Ausgleich des Mehrbedarfs. Sofern aus medizinischen Gründen eine kostenaufwendige Ernährung erforderlich ist, besteht ebenfalls ein Anspruch auf einen Zuschuß. Ob Buffalo Bill wegen Psychopharmaka einen Ausgleichsanspruch hat, ist fraglich.

2. Unterkunft und Heizung

    Nach § 23 leisten die Kommunen Ersatz für die tatsächlichen Aufwendungen an Kosten von Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Bei der Frage der Angemessenheit von Mietkosten gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Dazu können der Mietspiegel einer Kommune, insbesondere aber die Regelungen herangezogen werden, die bisher die Sozialämter aufstellten.
    Sind die Kosten zu hoch, besteht für die Differenz kein Anspruch. Es muß dann ein Umzug erwogen werden. In solchen Fällen ist übergangsweise der Mehrbedarf ebenfalls von der Kommune zu erstatten, bis der Umzug zumutbar durchgeführt werden konnte, in der Regel jedoch maximal für 6 Monate. Vor Abschluß eines Vertrages für eine neue Unterkunft sollten Hilfebedürftige die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen einholen.
    Wohnungsbeschaffungskosten, Kautionen, Umzugskosten können bei vorheriger Genehmigung durch den kommunalen Träger übernommen werden.
    Der individuelle, persönliche Mehrbedarf von Winnetou und Old Shatterhand (besonderer Wärmebedarf und Größe) dürfte nicht unter die „Angemessenheit“ im Sinne des Gesetzes fallen. Sie müssen die Heizung drosseln bzw. umziehen. Die Kommune könnte allenfalls für eine kurze Übergangszeit die Mehrkosten tragen.

3. Kinderzuschlag

    Sofern Eltern aufgrund einer Erwerbstätigkeit ohne Arbeitslosengeld II ihren eigenen Unterhalt bestreiten können, nicht aber ihre Kinder ernähren könnten, haben sie einen Anspruch auf einen Kinderzuschlag zum Kindergeld. Dieser Kinderzuschlag beträgt max. 140 Euro monatlich. Er wird zusammen mit dem Kindergeld ausgezahlt.
    Der Kinderzuschlag ist jedoch längstens auf 36 Monate befristet.

4. Einstiegsgeld

    Nach § 29 SGB II kann bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld gezahlt werden, wenn dies zur Eingliederung des Arbeitslosen in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld wird als Zuschuß zum Arbeitslosengeld II erbracht. Es ist auf höchstens 24 Monate befristet.
    Bei der Höhe ist die Dauer der Arbeitslosigkeit und die Größe der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Es wäre deshalb durchaus angebracht, Buffalo Bill Fahrkosten und/oder Übernachtungskosten bei einer auswärtigen Arbeitsstelle als Einstiegsgeld befristet zu zahlen, um ihm die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen oder zu erleichtern. Ggf. sind auch übergangsweise Kinderbetreuungskosten davon umfaßt.

5. Junge Menschen

    Ist der hilfsbedürftige Erwerbslose jünger als 25 Jahre, so muß er vom JobCenter oder von der Arbeitsagentur künftig sofort in eine Ausbildung oder zumindest in eine Arbeit vermittelt werden.
    Sofern eine Ausbildungsstelle nicht gefunden wird, muß dem jungen Menschen eine Arbeit oder zumindest eine befristete Arbeitsgelegenheit vermittelt werden. In dieser soll ihm auch ermöglicht werden, seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern oder solche Kenntnisse zu begründen.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug