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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 174: Wichtige Voraussetzungen von Arbeitslosengeld II

Der Fall

    Buffalo Bill ist wegen seiner vielen Stürze nur noch begrenzt erwerbsfähig. Er kann maximal 4 Stunden am Tag arbeiten. Bekommt er Arbeitslosengeld II? Buffalo Bill, Winnetou und Old Shatterhand beantragen Arbeitslosengeld II. Winnetou besitzt ein Riesengrundstück, auf dem sein Tippi steht und einen alten Pickup. Old Shatterhand besitzt seinen silberbeschlagenen Henry-Stutzen und eine Anwartschaft auf eine Riester-Rente. Buffalo Bill hat in guten Zeiten 500 Daimler-Aktien gekauft im Wert von ca. 17.000 Euro. Wird dieses Vermögen beim Arbeitslosengeld II angerechnet?

Die Lösung

1. Erwerbsfähigkeit

    Nach § 8 SGB II ist im Sinne dieses Gesetzes jeder erwerbsfähig, der nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden glich erwerbstätig zu sein.
    Dies bedeutet, daß Buffalo Bill in diesem Sinne erwerbsfähig ist und ihm wegen seiner eingeschränkten Erwerbsunfähigkeit der Anspruch nicht bestritten werden kann. Praktisch fallen mit dieser Regelung alle potentiellen Arbeitnehmer bis 65 Jahre unter das Gesetz, sofern sie nicht mehr oder weniger voll erwerbsfähig sind.

2. Hilfebedürftigkeit

    Nach § 9 des Gesetzes ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann. Weitere Bedingung ist, daß der Betreffende die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder anderen Sozialleistungsträgern erhält.
    Der Gesetzgeber hat damit das „Subsidiaritätsprinzip“ aus der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe weitergeführt.
    Sofern die Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind bei der Prüfung der Hilfsbedürftigkeit auch das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei minderjährigen unverheirateten Kindern ist auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen, der mit dem Kind in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
    Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, daß sie von diesen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen oder Vermögen erwartet werden kann.
    Merke: Wer ein Einkommen hat oder ein Vermögen besitzt, das bestimmte Freibeträge übe rsteigt, muß sein Einkommen und sein Vermögen zunächst für den eigenen Lebensunterhalt verwenden, bevor er staatliche Leistungen erhält. Selbsthilfe und Familienhilfe geht vor staatlicher Unterstützung.

3. Anrechnung von Einkommen

    Da die Grundsicherung aus Steuermitteln bezahlt wird, muß jeder Betroffene zunächst sein eigenes Einkommen für sich einsetzen, solange es ausreicht. Allerdings soll sich Arbeit auch für den Hilfebedürftigen lohnen. Deshalb wird vom Arbeitsverdienst nicht der volle Teil auf das Arbeitslosengeld II verrechnet.
    Nach § 11 SGB II ist zunächst das Nettoeinkommen zu ermitteln. Vom Bruttoeinkommen sind insbesondere abzuziehen die
    – Steuern,
    – Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung,
    – Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder dem Grunde und der Höhe nach angemessen sind,
    – dazu gehören insbesondere Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit,
    – Beiträge zur Altersvorsorge,
    – die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben.
    Von dem zu ermittelnden Nettoeinkommen verbleibt beim Hilfebedürftigen ein nach § 30 festgelegter Freibetrag:
    – bei einem Bruttolohn bis 400 Euro beträgt der Freibetrag 15 %,
    – bei einem Bruttolohn bis 900 Euro beträgt der Freibetrag bis 400 Euro 15 % und für den restlichen Teil bis 900 Euro 30 %,
    – bei einem Bruttolohn bis 1.500 Euro betragen die Freibeträge 15 % bis 400 Euro, 30 % für den Teil zwischen 400 und 900 Euro und wiederum 15 % für den Lohnbestandteil zwischen 900 Euro und 1.500 Euro.
    Bei einem Erwerbseinkommen über 1.500 Euro brutto wird der gesamte Nettobetrag auf das Arbeitslosengeld II verrechnet.
    Das bedeutet, daß ein Freibetrag bis zu 300,- Euro netto beim ALG II-Bezieher verbleibt, sofern er bis zu 1.500,- Euro brutto dazu verdient.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug