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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 327: Arbeitszeit – aktuelle Entwicklungen VII

Frage:

Wozu brauchen wir eigentlich eine Regulierung der Arbeitszeit, wozu soll das gut sein? Für wen gilt das Arbeitszeitgesetz mit seinen Beschränkungen, für alle Arbeitnehmer? Muß es nicht möglich sein, daß Arbeitnehmer freiwillig über die gesetzlichen Grenzen hinaus arbeiten können?

Der Fall:

    Arbeitgeber Lino Ventura stört die Reglementierung in Deutschland, vor allem auch die Reglementierung der Arbeitszeit. Er meint, daß im Zeitalter der Globalisierung eine freie Arbeitszeit möglich sein müsse.
    Edgar Degas ist leitender Angestellter im Immobilienkonzern von Lino Ventura. Muß er sich reglementieren lassen?
    Kardinal Mazarin beschäftigt die Haushälterin Mata Hari. Plötzlich fängt diese an, Mazarin nicht mehr die geliebten Knödel zu kochen unter Hinweis auf Arbeitszeitüberschreitung nach dem Arbeitszeitgesetz. Auch der Messner der Kathedrale Notre Dame Frankenstein tritt bei den abendlichen Andachten und Veserpen sowie Sonntags nicht mehr an, da dies gegen die Arbeitszeitregeln verstoße.
    Schließlich bittet der Immobilienkaufmann Gottfried Keller Lino Ventura dringend darum, an 7 Tagen die Woche durchgehend für ein halbes Jahr arbeiten zu dürfen. Er braucht Geld, da er gebaut hat und die Schulden ihm davonlaufen. Warum sollte Lino Ventura dem Gottfried Keller nicht arbeiten lassen?

Die Lösung:

1. Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung

    Der Gesetzgeber hat die Vertragsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Gestaltung der betrieblichen und persönlichen Arbeitszeit zum Zweck des Arbeitnehmerschutzes begrenzt, insbesondere durch das Arbeitszeitgesetz. Allerdings finden sich im Gesetz auch viele Ausnahmen und gesetzliche Sonderregelungen wegen der Besonderheit vieler Wirtschaftszweige.
    Mit dem Arbeitszeitgesetz soll der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer verbessert werden. Außerdem soll die Sonn- und Feiertagsruhe geschützt werden.
    Andererseits aber räumt der Gesetzgeber auch den Tarifvertragsparteien und den Betriebspartnern, d.h. Betriebsrat und Arbeitgeber bei Arbeitszeitfragen eine weite Gestaltungsmöglichkeit ein.

2. Inhalt und Gliederung des Gesetzes

    Das Arbeitszeitgesetz ist in 8 Abschnitte gegliedert:
    – Allgemeine Vorschriften,
    – werktägliche Arbeitszeit und arbeitsfreie Zeiten,
    – Sonn- und Feiertagsruhe,
    – Ausnahmen in besonderen Fällen,
    – Durchführung des Gesetzes,
    – Sonderregelungen,
    – Straf- und Bußgeldvorschriften,
    – Schlußvorschriften.
    Der Arbeitsschutz beinhaltet für den Arbeitnehmer einen vierfachen Schutz, nämlich:
    – Der Gesetzgeber hat für die tägliche Arbeitszeit eine Höchstdauer festgesetzt,
    – die zeitliche Lage der Arbeitszeit ist teilweise geregelt,
    – der Gesetzgeber schreibt Ruhezeiten und Pausen während der Arbeit vor,
    – die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist beschränkt.
    Dies geht letztlich schon aus § 1 Arbeitszeitgesetz hervor. Danach ist der Zweck des Gesetzes, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern, sowie
    den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.

3. Weitere Schutzgesetze

    Neben dem Arbeitszeitgesetz gibt es für besondere Arbeitnehmergruppen wegen der Arbeitszeit auch besondere Schutzvorschriften in anderen Schutzgesetzen, z.B.:
    – Das Jugendarbeitsschutzgesetz für Jugendliche,
    – Das Mutterschutzgesetz für Schwangere,
    – Das Gesetz über Fahrpersonal im Straßenverkehr.

4. Geltungsbereich des Gesetzes

    Das Arbeitszeitgesetz gilt für Arbeitnehmer, nicht z.B. für Beamte, Richter, Soldaten, oder gar für Selbständige. Diese können ihre eigene Arbeitszeit frei bestimmen.
    Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie alle diejenigen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden.
    Das Arbeitszeitgesetz ist jedoch nach § 18 nicht anzuwenden auf:
    – Leitende Angestellte sowie Chefärzte, also nicht auf Edgar Degas, soweit er ein leitender und nicht nur ein leidender Angestellter sein sollte,
    – Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind,
    – Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammen leben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen. Darunter fallen z.B. Erzieher in Kinderdörfern. Darunter fällt aber nicht die Haushälterin Mata Hari des Kardinal Mazarin, da Mata Hari den Mazarin weder erzieht noch pflegt. Etwas anderes könnte gelten, wenn der Kardinal mittlerweile alt und gebrechlich geworden ist und der Pflege bedarf.
    – In den liturgischen Bereichen der Kirche und der Religionsgemeinschaften.
    Daraus folgt, daß für den Mesner Frankenstein das Arbeitszeitgesetz im Zweifel nicht gilt. Er muß auch am Sonntag dienen.
    Besondere Regelungen bestehen für
    – die Beschäftigung von Jugendlichen,
    – Arbeitnehmer auf Kauffahrteischiffen als Besatzungsmitglieder,
    – bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im öffentlichen Dienst,
    – die Beschäftigung in der Luftfahrt und in der Binnenschiffahrt (z.B. Piloten, Stewardessen oder Fluglotsen).

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug