Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 262: Surfen im Internet – Kündigung II

Der Fall

    Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten Arbeitszeit im Internet beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, daß jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und gespeichert wird und daß Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.
    Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur privaten Internetnutzung hingewiesen.
    Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, daß der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3 Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-bay, aber auch verschiedene Chat-Foren. Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien.
    Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, daß dieser stundenlang mit diversen Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er zu Hunderten pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per e-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.
    Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten. Sie behaupten, von dem Verbot der privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.

Die Lösung

3. Abmahnung

    Vor Ausspruch einer Kündigung muß ein Arbeitgeber zunächst prüfen, ob nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Abmahnung ausreicht, um eine Vertragsverletzung, Schlechtleistung etc. zu ahnden.
    In vielen Fällen kann auch eine Ermahnung ausreichen, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, daß sein Verhalten nicht geduldet wird. Die Abmahnung enthält im Gegensatz zur Ermahnung die Androhung weiterer arbeitsrechtlicher Schritte oder gar einer Kündigung, falls der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändert.
    Die Abmahnung hat 3 Funktionen:
    – Sie enthält eine Hinweisfunktion, mit der der gerügte Sachverhalt dargestellt wird.
    – Durch den Hinweis auf arbeitsrechtliche Schritte enthält sie eine Warnfunktion. Der Arbeitnehmer muß wissen, daß weitere vertragliche Verstöße für ihn kritisch werden.
    – Grundsätzlich zu empfehlende schriftliche Abmahnung enthält darüber hinaus eine Dokumentationsfunktion. Mit der schriftlichen Abmahnung wird dokumentiert, was der Arbeitgeber im einzelnen beanstandet hat und wie er den Arbeitnehmer verwarnt hat.
    Achtung: wegen der Hinweis- und Dokumentationsfunktion ist es wichtig, daß das gerügte Verhalten in der Abmahnung deutlich und nachvollziehbar bezeichnet worden ist. Floskeln wie „Ihre ständigen Vertragsverletzungen“ oder „Ihre laufenden Schlechtleistungen“ führen dazu, daß eine Abmahnung unsubstantiiert und damit unwirksam ist.
    Mit dem Erfordernis der einschlägigen Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung soll gerade auch bei Internet-Verstößen dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen können und nicht damit rechnen müssen, daß der Arbeitgeber sein vertragswidriges Verhalten als besonders schwerwiegend ansieht.
    Wichtig: Aus diesem Grunde bedarf es stets einer Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen durfte, daß sein Verhalten entweder nicht vertragswidrig sei oder vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen wird.

4. Private Internetnutzung

    Der Arbeitgeber entscheidet alleine darüber, ob er seinen Mitarbeitern gestattet, am Arbeitsplatz mit seinen Geräten und ggf. auf seine Kosten das Internet privat ganz oder teilweise zu nutzen oder ob er ein generelles Verbot der privaten Internetnutzung ausspricht. Kein Arbeitnehmer hat ohne entsprechende Vereinbarung das Recht, das Internet am Arbeitsplatz auf Kosten des Arbeitgebers während seiner Arbeitszeit privat zu nutzen.
    Auch der Betriebsrat hat kein Recht, die private Nutzung des Internet durch Mitarbeiter gegen den Arbeitgeber durchzusetzen.
    Achtung: Besonders problematisch ist die stillschweigende Duldung der privaten Internetnutzung durch den Arbeitgeber oder der Umstand, daß der Arbeitgeber zu dieser Frage den Mitarbeitern keine klare Mitteilung macht. Hier kann es zu groben Mißverständnisse kommen, die im Zweifel zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Da der Arbeitgeber der Dienstherr ist, ist er im Rahmen seiner Organisationsmacht auch verpflichtet, diese Frage klar zu regeln.

>> Nächste Folge
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug