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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 127: Hilfe Kündigung - Betriebsratsanhörung I

Der Fall:

    Arbeitgeber Gottlob hat den trägen Schlosser Uhland und die zarte Annette von Droste-Hülshoff wegen Liebesverstrickungen am Arbeitsplatz unter Nutzung der betrieblichen Einrichtungen gekündigt. Der Betriebsratsvorsitzende Friedrich von Spee wurde darüber nicht unterrichtet.
    Bei der Kündigung der gemütskranken Caroline von Günterode hat der Arbeitgeber Gottlob den Betriebsrat angehört. Der Betriebsrat hat der Kündigung aus sozialen Gründen widersprochen.
    Alle 3 Arbeitnehmer meinen, daß die Kündigung schon wegen mangelhafter Betriebsratsanhörung bzw. wegen des Betriebsratswiderspruchs rechtsunwirksam sei. Das mißfällt dem flotten Gottlob sehr.

Die Lösung:

1. Existiert ein Betriebsrat?

    Sofern ein Betriebsrat existiert, muß der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung anhören. Geschieht dies nicht, kann sich der Arbeitnehmer gem. § 102 BetrVG auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen.
    In der Regel bereitet die Feststellung keine Schwierigkeiten. In manchen Betrieben ist jedoch fraglich, ob ein Betriebsrat ordnungsgemäß gewählt wurde, ob er zurückgetreten ist und ob ggf. ein Übergangsmandat besteht.

2. Zuständiger Betriebsrat

    Auch die Frage des zuständigen Betriebsrates ist normalerweise kein Problem. Ein Betriebsrat wird immer für einen speziellen Betrieb gewählt. Der Gesamtbetriebsrat ist bei mehreren Betrieben eines Unternehmens für das Unternehmen, nicht aber den einzelnen Betrieb zuständig.
    Sofern aber ausgelagerte Betriebsteile, Filialen, Filialbetriebe oder weitentfernte Betriebsteile bestehen, muß geprüft werden, ob für diese Betriebsteile, Filialen etc. ein zuständiger Betriebsrat vorhanden ist.

3. § 102 Abs. 1 BetrVG

    § 102 Abs. 1 BetrVG bestimmt, daß der Betriebsrat vom Arbeitgeber vor jeder Kündigung zu hören ist. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
    Die Anhörung vor der Kündigung erstreckt sich auf alle Arten von Kündigungserklärungen, also sowohl auf die ordentliche, wie auch auf die außerordentliche, fristlose Kündigung, auf die Beendigungs- wie auch auf die Änderungskündigung.
    Im Falle der ordentlichen Kündigung muß der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine Bedenkzeit von 1 Woche geben. Der Betriebsrat kann sich innerhalb dieser Frist schriftlich abschließend äußern. Der Arbeitgeber kann dann kündigen. Sonst muß der Arbeitgeber die Wochenfrist abwarten.
    Äußert sich der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist nicht, so gilt seine Zustimmung als erteilt.
    Im Falle der außerordentlichen Kündigung beträgt die Bedenkzeit des Betriebsrats lediglich 3 Tage. Der Arbeitgeber muß diese Frist abwarten, es sei denn, der Betriebsrat äußert sich bereits vorher schriftlich abschließend.

4. Angabe von Gründen

    § 102 Abs. 1 BetrVG bestimmt auch, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen hat. Diese Pflicht zur Mitteilung der Gründe besteht ebenfalls für alle Kündigungen.
    Hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Kündigungsgründe nicht oder nicht ausreichend mitgeteilt, so ist die Kündigung ebenfalls aufgrund eines Formmangels unwirksam.
    Die Rechtsprechung verlangt vom Arbeitgeber, daß er die Kündigungsgründe im wesentlichen dem Betriebsrat mitteilt. Dazu gehören auch die betrieblichen und sozialen Daten des Arbeitnehmers, d.h. seine Beschäftigungsdauer, seine Tätigkeit, seine Sozialdaten, alle kündigungsrelevanten Umstände.
    Die Rechtsprechung verlangt nicht, daß der Arbeitgeber die Kündigungsgründe so ausführlich und substantiiert vorträgt, wie sie später in einem Kündigungsschutzverfahren vor Gericht vorgetragen werden müssen. Eine nur pauschale Bezeichnung der Kündigungsgründe dagegen reicht auf keinen Fall aus. Die Gründe müssen dem Betriebsrat so genau bezeichnet werden, daß er aus eigener Anschauung die Berechtigung der Kündigung überprüfen kann. Dem Betriebsrat bereits bekannte Gründe sind ggf. nicht mitzuteilen.
    Bei betriebsbedingten Kündigungen muß der Arbeitgeber auch die Sozialauswahl im einzelnen darlegen.
    Im Falle der krankheitsbedingten Kündigung der Günterode muß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die gesamten Arbeitsdaten, Arbeitsunfähigkeitszeiten und so weit wie bekannt, auch die Diagnosen mitteilen. Dazu gehört allerdings eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch die Arbeitnehmerin.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug