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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 125: Hilfe Kündigung - Form der Kündigung

Der Fall:

    Arbeitgeber Gottlob beschäftigt 150 Arbeitnehmer. Er muß 50 Arbeitnehmer betriebsbedingt abbauen. Gottlob meint, die Altarbeitnehmer Walter von der Vogelweide und Oskar von Wolkenstein beim Mittagessen in der Kantine mündlich gekündigt zu haben. Die ausgefuchsten Techniker Klopstock und Grimmelshausen hat Gottlob vorsichtshalber schriftlich und per Einschreiben gekündigt. Grimmelshausen war aber in Urlaub. Sein Einschreiben konnte nicht zugestellt werden. Den schwerbehinderten und kranken Andreas Gryphius hat Gottlob per Fax gekündigt. Das Faxprotokoll gab “okay” an. Gryphius bestreitet, eine Kündigung erhalten zu haben.
    Die Jungarbeitnehmer Uhland und Bettina von Arnim hat der fesche Gottlob per SMS gekündigt. Echt modern. Dem aufmüpfigen Betriebsrat Friedrich von Spee hat er die Kündigung per e-mail direkt ins Betriebsratsbüro geschickt.
    Sind die Kündigungen formgerecht zugegangen? Wann muß geklagt werden?

Die Lösung:

1. Schriftlichkeit der Kündigung

    Seit dem 1.5.2000 fordert § 623 BGB für alle Kündigungen, egal ob Beendigungs- oder Änderungskündigung, die Schriftform. Bis dahin war die Kündigung grundsätzlich formfrei möglich. Deshalb gibt es ältere Urteile mit wirksamen mündlichen Kündigungen.
    Diese Zeit ist aber vorbei. Die Schriftlichkeit ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Die mündliche Kündigung durch Arbeitgeber Gottlob in der Kantine hat schon deshalb keine Bestandskraft.
    Schriftlichkeit bedeutet nach § 126 BGB, daß der Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen die Kündigungserklärung unterzeichnen muß. Eine Unterzeichnung mit einer Funktionsbezeichnung (z.B. “der Chef” oder “Geschäftsführer”) reicht nicht. Entscheidend ist die echte, eigenhändige Unterschrift.

2. Kündigungsberechtigung

    Der Unterzeichner der Kündigungserklärung muß auch zur Kündigung berechtigt sein. Dies ist bei einer Einzelhandelsfirma der Chef in Person, bei der GmbH der Geschäftsführer, bei der Aktiengesellschaft der Vorstand. Daneben kann auch der Personalchef oder Leiter der Personalabteilung kündigungsberechtigt sein. Ein Prokurist, Abteilungsleiter, Ehepartner etc. ist nicht generell kündigungsberechtigt!
    Kündigt eine nichtkündigungsberechtigte Person (z.B. auch ein Rechtsanwalt) für die Firma, so muß der Kündigungserklärung eine eigenhändig unterzeichnete Vollmacht des Kündigungsberechtigten beigelegt sein. Andernfalls kann der Gekündigte die Kündigung nach § 174 BGB unverzüglich zurückweisen.
    Unverzüglich bedeutet binnen weniger Tage. Eine Zurückweisung nach Wochen oder erst im Prozess ist generell zu spät.
    Folge der unverzüglichen Zurückweisung: Die Kündigung ist mangels ordnungsgemäßer Unterschrift unwirksam!

3. Kündigung per Fax

    Da § 623 BGB i.V.m. § 126 BGB eine eigenhändige Namensunterschrift des Kündigungsberechtigten fordern, kann ein Telefax oder ein Telegramm nicht den Anforderungen des Gesetzes an eine eigenhändige Unterschrift erfüllen. Es handelt sich auf dem Fax nämlich stets um die Kopie der Unterschrift. Die Kopie einer Unterschrift die die Kopie der Kündigungserklärung reicht jedoch nicht für die Schriftform aus. Die Kündigung des Schwerbehinderten Gryphius per Fax war deshalb formwidrig und nichtig.

4. Kündigung per e-mail/SMS

    Auch eine e-mail oder SMS genügt den Formerfordernissen des § 623 BGB nicht. Zwar läßt § 127 Abs. 3 BGB eine telekommunikative Übermittlung zur Wahrung der Schriftform bei bestimmten Rechtsgeschäften zu. Das gilt aber dann nicht, wenn per Gesetz ausdrücklich Schriftform gefordert ist, so wie im Falle des § 623 BGB.
    Aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit und Sicherung des Zuganges wollte der Gesetzgeber gerade bei der Kündigung eines SMS oder eine e-mail nicht zulassen. Die Kündigung der Jungarbeitnehmer Uhland und Bettina von Arnim wie auch des Betriebsrates von Spee ist mangels richtiger Form rechtsunwirksam.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug