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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 116: Mobbing II - Faktoren der Gefährdungen

Der Fall:

    Operettenchef Gotthilf Schiffer und seine Mitarbeiter leiden unter Streß, psychischer Beanspruchung, psychischer Ermüdung und Belastung, Mobbing, bis hin zu Depressionen. Gotthilf Schiffer fragt sich, welche Faktoren diese psychischen Belastungen und Gefährdungen in seinem Betrieb eigentlich auslösten. Nur wenn dies festgestellt ist, kann eine Änderung bewirkt werden.

Die Lösung:

1. Betriebliche “harte” Belastungsfaktoren

    Am einfachsten zu handhaben sind die Belastungsfaktoren, die unmittelbar von der Betriebsstätte, den Maschinen und den Arbeitsbedingungen vor Ort verursacht werden. Diese Ursachen können zumindest durch Fachleute relativ schnell erkannt, festgestellt oder gemessen werden. Bei den meisten dieser Faktoren kann durch technische Maßnahmen Abhilfe geleistet werden.
    Zu solchen sog. harten Belastungsfaktoren zählen z.B. schweres Heben, falsche Raumtemperatur, Zugluft, zu hoher Lärm. Dazu zählen insbesondere auch die falsche Plazierung eines Computers im Raum (Tageslichteinfall), nicht computergerechte Möbel, falsche Beleuchtung, zu schnelle Arbeitstakte, zu große Monotonie am Arbeitsplatz, mechanische Gesundheitsbelastungen jeglicher Art, ungünstige, belastende Arbeitszeit.
    Zu diesen harten Belastungsfaktoren zählt aber auch die mangelnde Bereitschaft vieler Arbeitnehmer, die notwendigen Schutzvorrichtungen zu benutzen oder zu tragen, z.B. den Schutzhelm, den Gehörschutz, die Schutzbrille, die Sicherheitsschuhe.

2. Soziale Gefährdungsfaktoren

    In vielen Unternehmen ist die Wichtigkeit des Personalmanagements noch nicht ausreichend erkannt. Innerbetriebliche Qualifikationsmöglichkeiten, Aufstiegsmöglichkeiten und die Möglichkeit zur Verbesserung der eigenen beruflichen Position zählen dazu. Dazu gehört aber auch die Ermöglichung von Arbeitszeitveränderungen bei familiären Gründen, z.B. die Reduzierung von Vollzeit auf Teilzeit oder umgekehrt, ggf. auch eine familiengerechte Lage der Arbeitszeit.
    Am wichtigsten unter den sozialen Bedingungen ist das soziale Betriebsklima. Psychische Probleme werden leicht ausgelöst durch häufige Konflikte zwischen den Arbeitskollegen, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Ein Manko in vielen Betrieben ist auch die mangelnde Beachtung von Vorschlägen der Beschäftigten, fehlende Anerkennung, fehlendes Lob (schwäbischer Spruch: “nichts gesagt, ist genug gelobt”!).
    Schließlich kann das Betriebsklima durch vermeintliches oder echtes Mobbing erheblich beeinträchtigt werden und zu psychischen Beeinträchtigungen sowie Krankheiten führen.

3. Arbeitstätigkeit / Qualifikation

    Psychische Gefährdungen bei der Verrichtung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit entstehen u.a. dann, wenn Arbeitnehmer entweder unterfordert werden, insbesondere nicht entsprechend ihrer Qualifikation und Fähigkeiten im Betrieb eingesetzt und gefordert sind. Die selbe Folge kann aber auch eintreten, wenn Mitarbeiter überfordert werden durch zu schwierige Tätigkeiten, durch ungenügende Schulung, z.B. im Bereich der Software, durch zu hohen Arbeitsdruck, Arbeitsverdichtung und immer schnellere Zeittakte.
    Weitere Auslöser können unklare Verantwortlichkeiten, fehlender Informationsfluß, fehlende Kompetenz bei Vorgesetzten oder Kollegen sein. Die fehlende Transparenz von Arbeitsabläufen mindert die Freude an der Arbeit und führt zu Frust, fehlende soziale Kontakte oder Fachgespräche, zu hoher Zeitdruck und daraus folgend Defizite im betrieblichen Sozialverhalten.

4. Organisatorische Faktoren

    Zu psychischem Streß und zu Gefährdungen führen u.a. eine falsche oder stritte oder schwierige Organisation des Arbeitsablaufs, eine nicht einleuchtende Organisation und mangelhafte Transparenz, fortwährende Störungen des Arbeitsablaufes durch inner- oder außerbetriebliche Faktoren, häufiges Abberufen während der Durchführung einer Aufgabe, übermäßiger Telefonstreß, unregelmäßiger Arbeitsanfall mit hohem Streß in den Spitzenzeiten.
    Für viele Arbeitnehmer ist die korrekte Einhaltung der Arbeitszeit von erheblicher Bedeutung. Deshalb sind Störungen in der Arbeitszeit besonders ernst zu nehmen. Ein massiver Streßfaktor ist die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Ruhe- und Kurzpausen. Dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten mit hoher Konzentration, die dann nachlassende Konzentration und daraus entstehende Fehler erhöhen noch die psychischen Gefährdungen. Häufige und vor allem unregelmäßige Überstunden können zur innere Arbeitsverweigerung mit entsprechender psychischer Belastung führen, aber auch die mangelnde Rücksichtnahme bei der Arbeitszeit und bei Überstunden auf soziale und familiäre Verpflichtungen der Mitarbeiter sowie auf deren berechtigtes Freizeitverhalten.

5. Fazit

    Mobbing ist im Arbeitsleben sicherlich ein Streßfaktor und ein Grund, der Probleme im Betrieb schafft und die Freude der Mitarbeiter an der Arbeit mindert. Mobbing ist aber nur ein Faktor unter vielen Faktoren, die zu psychischen Belastungen, zu Fehlern bei der Arbeit und letztlich zu psychischen Erkrankungen führen können. Aus diesem Grund hat Operettenchef Gotthilf Schiffer mit seinem Betriebsrat und jedenfalls mit seinen Mitarbeitern ausreichend Grund, nach den Ursachen der psychischen Belastungen in seinem Betrieb zu suchen.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug