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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 240: Beendigungsvergleich VIII - Arbeitsmittel, Hinweispflichten, Erledigungsklausel

Der Fall

    Der gekündigte listige Odysseus hat noch einen Top-Rechner des Arbeitgebers nebst Software und dessen Dienstwagen in der Garage stehen. Er möchte gerne eine Abgeltungsklausel mit ihm schließen, in der Hoffnung, diese Gegenstände behalten zu dürfen.
    Die landwirtschaftliche Facharbeiterin Demeter streitet sich mit ihrem Arbeitgeber Menelaus, ob der zurückgegebene Werkzeugkoffer des Arbeitgebers und dessen Schlüssel komplett sind.
    Die Kosmetikerin Andromeda möchte nach ihrer Kündigung noch ihre in den Betrieb eingebrachte Schönheitsliege sowie eine Sammlung antiker Schminktöpfe mitnehmen. Arbeitgeber Augias dagegen beruft sich auf eine Abgeltungsklausel im Beendigungsvertrag. Er will Schönheitsliege und Schminktöpfe behalten. Dafür will er der Andromeda ihre vergessenen antiken Birkenstock-Sandalen zurückgeben.

Die Lösung

1. Arbeitsmittel

    Der Arbeitnehmer muß sämtliche vom Arbeitgeber gestellten Werkzeuge, Firmenunterlagen, Schlüssel, Maschinen, Dienstwagen etc. zurückgeben.
    Die Rückgabepflicht erlischt auch dann nicht, wenn eine Abgeltungsklausel in einem Beendigungsvertrag geschlossen wurde. Mit dieser Abgeltungsklausel erlischt nämlich nicht das Eigentum des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers an ihren Gegenständen. Der listige Odysseus muß deshalb sowohl den Dienstwagen, wie auch den Rechner nebst Software herausgeben, wenn er diese unstreitig erhalten und noch nicht zurück gegeben hat.
    Anders kann es sich verhalten, wenn Streit darüber besteht, ob die Arbeitnehmerin ihre Firmenunterlagen, Gerätschaften, Werkzeugkoffer, Schlüssel etc. ordnungsgemäß zurückgegeben hat, oder wenn Streit darüber besteht, ob die Mitarbeiterin solche Gegenstände vom Arbeitgeber überhaupt erhalten hat.
    Wenn eine Abgeltungsklausel am Schluß des Beendigungsvertrages vereinbart wird, so wird damit auch der Streit darüber erledigt, ob der zurückgegebene Werkzeugkoffer oder der Schlüsselsatz vollständig waren oder ob die Mitarbeiterin bestimmte Gegenstände überhaupt erhalten hat. Insofern ist es dann wichtig, daß solche Streitpunkte im Beendigungsvergleich genau geregelt werden. Andernfalls könnte der Rückgabeanspruch des Arbeitgebers erloschen sein.
    Auch die Kosmetikerin Andromeda kann trotz Abgeltungsklausel ihre eigene Schönheitsliege und ihre antiken Schminktöpfe vom Arbeitgeber Augias herausverlangen. Dies gilt jedenfalls solange, wie das Vorhandensein dieser Gegenstände und die Eigentumsverhältnisse unstreitig sind.
    Etwas anderes kann gelten, wenn der Arbeitgeber bestreitet, daß eine solche Schönheitsliege oder Schminktöpfe bei ihm vorhanden sind, oder wenn er behauptet, daß Andromeda diese Gegenstände schon abgeholt hat. Dann wäre der Streit der Parteien über die Frage des Einbringens oder der Rückgabe bzw. Abholung durch die Abgeltungsklausel beendet worden. Andromeda könnte dann keine Herausgabe mehr verlangen.
    Es zeigt sich hier, daß es wichtig ist, diese Dinge nicht zu vergessen.
    Achtung: Für die Vollstreckbarkeit ist es wichtig, daß die Gegenstände genauestens bezeichnet werden. Es reicht nicht aus, nur allgemein die Rückgabe eines Rechners, zweier Latzhosen, oder diverser Schlüssel und Schminktöpfe zu vereinbaren. Die Gegenstände müssen mit Marke, Typennummern, Farbe etc. so genau wie möglich bezeichnet werden.

2. Hinweispflicht des Arbeitgebers

    Seit dem 1.1.2003 muß der Arbeitgeber im Rahmen der Kündigung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 SGB III den Arbeitnehmer auf seine Verpflichtung zur sofortigen Arbeitslosmeldung hinweisen. Dabei ist streitig, ob andernfalls ein Schadenanspruch gegen ihn entsteht. In jedem Fall riskiert er Probleme.
    Ist dieser Hinweis nicht bereits in einer Kündigungserklärung erhalten, müßte er spätestens in den Beendigungsvergleich aufgenommen werden.

3. Abgeltungs-/Erledigungsklausel

    Ist das Arbeitsverhältnis beendet, empfiehlt es sich für die Parteien dringend, alle vorhandenen Probleme in einem abschließenden Vergleich zu regeln. Zur Sicherheit beider Seiten empfiehlt es sich dann regelmäßig, am Schluß des Beendigungsvergleiches eine Abgeltungs- und Erledigungsklausel zu vereinbaren.
    Formulierungsvorschlag:
    „Mit den voranstehenden Regelungen sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, bekannt oder unbekannt, erledigt“.
    Damit sind weitere Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsvertrag, die streitig sind oder vergessen wurden, grundsätzlich ausgeschlossen bzw. untergegangen und erledigt. Sollte trotzdem eine Partei klagen, kann sich die Gegenseite auf diese Abgeltungsklausel berufen.
    Eine solche Klausel hat den großen Vorteil der Rechtsbefriedung und der Beendigung von manchmal unendlichen Streitigkeiten, allerdings muß vorher genau geprüft werden, ob tatsächlich alle Streitpunkte erledigt sind.
    Wegen der besonderen Wichtigkeit sind nach der Rechtsprechung einzelne Ansprüche von Ausgleichsklauseln nicht berührt, nämlich:
    – Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung bzw. die Rentenanwartschaft,
    – der Zeugnisanspruch,
    – Arbeitnehmererfindungsrechte,
    – unverzichtbare Rechte aus Tarifverträge oder aus dem Gesetz (gesetzliche Urlaubsansprüche).
    Durch die Abgeltungsklausel erlischt auch nicht das Eigentumsrecht einer Partei an ihren Gegenständen. Zumeist ist allerdings streitig, ob sich die Gegenstände tatsächlich noch oder überhaupt bei der Gegenseite befinden. Dann würde die Abfindungsklausel wieder Platz greifen.
    Der Vergleich ist sodann ordnungsgemäß abzuwickeln. Sollte die Vergleichsabwicklung nicht ordnungsgemäß sein, kann die berechtigte Partei aus dem Vergleich heraus auf ordnungsgemäße Vornahme, z.B. auf ordnungsgemäße Abrechnung, Auszahlung, Zeugniserstellung etc. klagen. Die Abgeltungsklausel berührt nicht die im Vergleich geregelten Gegenstände.

4. Fazit

    Beendigungsvergleiche bieten den Parteien unschätzbare Möglichkeiten, anläßlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses möglichst viele Streitpunkte und offene Fragen zu regeln und aus der Welt zu schaffen. Die Parteien haben hier Möglichkeiten, die ein Gericht nicht besitzt. Sie vermeiden u.U. eine Vielzahl von Folgeprozessen mit entsprechenden Kosten. Vor allem sparen sie neben Geld aber auch Zeit und Nerven, wenn sie bei Vergleichsschluß gründlich und überlegt gehandelt haben.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug