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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 211: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen VII - Telefonüberwachung (3)

Der Fall

    Arbeitgeber Ramses hat ein betriebliches Verbot zur Führung von privaten Telefongesprächen erlassen. Gleichwohl kann es der in Liebe erbrannte Richard Wagner nicht lassen, immer wieder während der Arbeitszeit mit seiner neuen Flamme Cosima zu telefonieren. Ramses ärgert sich über diese Liebesgeflüster und hört die Gespräche von Richard Wagner ab.
    Als er deshalb Richard Wagner kündigt, beruft sich dieser auf die Rechtswidrigkeit der Abhörpraxis und verlangt, daß die Beweise vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürfen.
    Mißtrauisch geworden führt Arbeitgeber Ramses für alle Telefongespräche eine Zielnummernerfassung durch. Davon ist die Betriebsrätin Cleopatra nicht beglückt. Sie meint, daß in diesem Falle immer erst der Betriebsrat angehört werden und zustimmen muß.

Die Lösung

10. Mitbestimmung

    Jede Telefondatenerfassung unterliegt der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 Betriebsverfassungsgesetz. Die Telefondatenerfassung erfolgt nämlich mittels einer technischen Kontrolleinrichtung, d.h. mittels der Telefonanlage. Die Betriebsrätin Cleopatra hat sich deshalb zu Recht beschwert. Der Arbeitgeber Ramses muß vor Einführung einer Datenerfassung und Speicherung der entsprechenden Daten mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abschließen.
    Diese Betriebsvereinbarung muß sich über Art und Umfang der Telefonüberwachung erstrecken. Er muß auch die Frage der Speicherung und die Verwendung der Daten beinhalten. Wichtig ist insbesondere auch, daß die Frage geregelt wird, wie im Falle von Verstößen von Arbeitnehmern gehandelt wird. Dabei ist dringend zu empfehlen, zunächst ein gemeinsames Kontrollgremium zu schaffen, das die entsprechenden Telefondaten sichtet und überprüft, ggf. auch mit den verdächtigen Mitarbeitern, die notwendigen Gespräche führt.
    Die Betriebspartner müssen bei diesen Regelungen außerdem immer dem Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer ausreichend Rechnung tragen und dafür sorgen, daß dem verdächtigen Mitarbeiter Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Rechtfertigung gegeben wird.

11. Private Telefonbenutzung im Betrieb

    Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmern die Benutzung des betrieblichen Telefons für Privatgespräche gestatten, er muß dies aber nicht tun. Der Arbeitnehmer darf nicht ohne eine solche Erlaubnis des Arbeitgebers privat telefonieren.
    Es ist grundsätzlich zu empfehlen, und begrüßenswert, wenn der Arbeitgeber klare Anweisungen in Bezug auf das Telefonverhalten gibt. Leider erfolgt in vielen Betrieben eine stillschweigende Duldung von Privattelefonaten ohne weitere Äußerung des Arbeitgebers. Erfolgt dies jahrelang, so kann der Arbeitnehmer von einer betrieblichen Übung ausgehen.
    Voraussetzung für eine betrieblichen Übung ist die Kenntnis des Arbeitgebers von Privatgesprächen und die unwidersprochene Duldung über einen längeren Zeitraum. Wenn dann aus der regelmäßigen Wiederholung dieser Vorgänge vom Mitarbeiter auf ein stillschweigendes Einverständnis des Arbeitgebers geschlossenen werden kann, wäre der Arbeitgeber zunächst gebunden.
    Der Arbeitgeber kann jedoch eine solche Zustimmung auch jederzeit widerrufen, wenn nichts anderes ausdrücklich vereinbart ist. Im Falle einer jahrelangen Duldung, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch nicht plötzlich und überraschend wegen Privatgesprächen abmahnen oder kündigen. Er muß vielmehr klarstellen, daß diese Praxis beendet wird und zukünftig andere Grundsätze gelten.

12. Praxisregelung

    In der Praxis ist dem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, eine ausdrückliche und klare Regelung in Bezug auf das Telefonverhalten zu treffen. Der Arbeitgeber hat dabei verschiedene Möglichkeiten, z.B.:
    – dem Arbeitnehmer ist generell untersagt, privat im Dienst zu telefonieren,
    – der Arbeitnehmer darf generell auf Kosten des Arbeitgebers privat telefonieren, unabhängig von Dauer und Ziel,
    – der Arbeitnehmer darf nur Ortsgespräche privat führen, nicht aber Ferngespräche,
    – der Arbeitnehmer darf die Telefonanlage täglich nicht länger als 10 Minuten für Privatgespräche nutzen,
    – der Arbeitnehmer muß die Kosten der privaten Telefonate für Ferngespräche/für Ortsgespräche selbst tragen. Dazu ist eine Vorwahltaste zu drücken.
    Achtung: Notfallgespräche (akute Notfälle, familiäre Katastrophenfälle, Vereinbarung eines dringenden Arzttermins) darf der Arbeitnehmer auch ohne Erlaubnis des Arbeitgebers vom Diensttelefon aus führen. Ein Verbot würde eine unzumutbare Härte für den Mitarbeiter darstellen.

13. Verbotene Privatgespräche

    Private Telefongespräche gegen die Anweisung des Arbeitgebers oder gegen betriebliche Gepflogenheiten stellen eine nicht gering einzuschätzende Vertragspflichtverletzung dar. Der Arbeitnehmer schädigt den Arbeitgeber auf strafbare Weise im Vermögensbereich. Dies kann zu erheblichen finanziellen Verlusten bei Ferngesprächen führen. Vor allem aber kann dieses Verhalten den Arbeitgeber im zeitlichen Bereich erheblich schädigen, weil der Arbeitnehmer nicht die geschuldete Arbeitsleistung erbringt.
    Nach vorheriger Abmahnung kann ein solches Verhalten zur Kündigung führen. In besonders schwerwiegenden Fällen kann eine Kündigung auch ohne Abmahnung ausgesprochen werden. In krassen Ausnahmefällen, insbesondere bei hartnäckiger Verletzung der Arbeitgeberanweisung kann auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.

     

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug