Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 89: Betriebliche Altersversorgung / Anspruchsgrundlagen

Der Fall:

    Arbeitgeberin Steffi möchte gerne im Rahmen ihres Tenniszirkusses mit den Mitarbeitern Boris, Serena und Venus Altersversorgungsverträge abschließen. Die Arbeitnehmer wollen unterschiedliche Formen. Der Betriebsrat Agassi will dagegen eine einheitliche Regelung. Arbeitgeberin Steffi fragt sich, wie eine betriebliche Altersversorgungszusage bzw. eine Entgeltumwandlung rechtlich umzusetzen ist.

Die Lösung:

1. Rechtsgrundlagen

    Die gesetzliche Rechtsgrundlage für die betriebliche Altersversorgung ist das Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Dieses Gesetz schreibt aber nicht vor, in welcher Weise ein Arbeitgeber seine Altersversorgungszusagen rechtlich umzusetzen hat. Hier herrscht der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Leider ist dadurch in der Bundesrepublik eine unübersehbare Vielfalt von Rechtsregelungen entstanden.
    Aus diesem Grunde ist zunächst zu prüfen, welche Anspruchsgrundlagen gewählt werden können.

2. Individualvertrag

    Arbeitgeberin Steffi kann mit jedem Arbeitnehmer einen eigenen Altersversorgungsvertrag abschließen. Dann kann möglicherweise jede einzelne Zusage einen anderen Inhalt besitzen. Dies mag in kleinen Betrieben handhabbar sein, z.B. bei Arbeitgeberin Steffi. Dies mag sich auch bei Führungskräften empfehlen, die abweichend von der Masse der Mitarbeiter Spezialzusagen bekommen.
    Im übrigen aber sind echte, jeweils unterschiedliche Individualvereinbarungen durch Einzelvertrag nicht zu empfehlen, da sonst nach kurzer Zeit mangels Überschaubarkeit “das Chaos regiert”.

3. Gesamtzusage

    In vielen Unternehmen werden Versorgungszusagen einseitig vom Arbeitgeber erteilt. Der Arbeitgeber macht dabei in der Regel dem neu eintretenden Arbeitnehmer einen Vorschlag durch Vorlage der betrieblichen Versorgungsordnung. Der Arbeitnehmer nimmt diesen Vorschlag stillschweigend oder ausdrücklich an. Es kommt so ein Vertrag zustande, der aber nicht individuell ausgehandelt ist, sondern sich an der generellen betrieblichen Versorgungsordnung orientiert.
    Deshalb spricht man auch von “vertraglicher Einheitsregelung”. Bei dieser Einheitsregelung muß der Betriebsrat im Rahmen der Mitbestimmung mitwirken.

4. Betriebsvereinbarung

    In größeren Unternehmen mit Betriebsrat findet sich auch oft eine Versorgungsordnung, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde. Diese Betriebsvereinbarung gilt dann für alle Arbeitsverhältnisse gleichermaßen und zwingend.

5. Betriebliche Übung / Gleichbehandlung

    Macht der Arbeitgeber dem eintretenden Mitarbeiter nicht ausdrücklich das Angebot auf Teilnahme an der betrieblichen Versorgungsordnung, hat er andererseits aber eine betriebliche Versorgungsordnung für den Betrieb geschaffen, so ist jeder neueintretende Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Übung bzw. aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes in dieses Versorgungswerk aufzunehmen.
    Der Arbeitnehmer kann dann Ansprüche auf eine Anwartschaft bzw. eine Betriebsrente auch dann geltend machen, wenn er nicht eine entsprechende schriftliche Zusage vom Arbeitgeber erhalten hat.
    Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es auch, bestimmte Arbeitnehmer aus der Altersversorgungsordnung auszunehmen, sofern keine sachlichen Gründe dafür vorliegen. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß Teilzeitarbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung nicht wegen der Teilzeitarbeit aus der Altersversorgung ausgenommen werden dürfen. Dies stellt regelmäßig eine rechtswidrige Diskriminierung von Frauen dar, da diese im Teilzeitbereich überrepräsentiert sind.

6. Versorgungstarifverträge

    In einzelnen Branchen finden sich als Anspruchsgrundlage für die betriebliche Altersversorgung auch Versorgungstarifverträge. Dies gilt insbesondere für den Öffentlichen Dienst, aber auch für das Baugewerbe oder für Redakteure im Zeitungsbereich.

>> Nächste Folge: Änderung der Versorgungszusage
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug