Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 7: Kein Anspruch auf ungefaltetes Zeugnis
Anforderungen an die äußere Form für die Unterschrift des Zeugnisses

Der Fall:

    Arbeitnehmer Alf Bio ist aus dem Arbeitsverhältnis im Streit ausgestiegen. Wegen des vom Arbeitgeber Max Henkel erstellten Zeugnisses stritten beide Parteien erbittert. Schließlich konnten sie sich auf einen Zeugnisinhalt einigen.
    Arbeitgeber Max Henkel schickte dann den Zeugnisbogen an den ausgeschiedenen Alf Bio und benutzte einen Umschlag DIN-lang (1/3 DIN-A-4). Aus diesem Grunde war das Zeugnis zwei Mal gefaltet.
    Der Zeugnistext endete mit dem maschinengeschriebenen Namen des Arbeitgebers. Alf Bio behauptete, daß die Unterschrift aber nicht vom Arbeitgeber, sondern von seinem Faktotum und Geschäftsführer Karl Napf stamme.
    Außerdem beanstandet Alf Bio die zweimalige Faltung des Zeugnisses. 


Die Lösung:

1. Der Zeugnisanspruch

    Der Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers ergibt sich aus § 630 BGB, aus dem Tarifvertrag oder aus dem Arbeitsvertrag. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein qualifiziertes oder wunschweise auf ein einfaches Zeugnis.
    Vorliegend hat Arbeitgeber Max Henkel den Zeugnisanspruch erfüllt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Inhalt des Zeugnisses von seiten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers nicht zu beanstanden war.

2. Äußere Form des Zeugnisses

    Die äußere Form des Zeugnisses muß den im Verkehr üblichen Gegebenheiten entsprechen. Dies bedeutet insbesondere
    – Erstellung auf dem üblichen Firmen- oder Geschäftsbogen,
    – saubere äußerliche Form, vor allem keine Fettflecken, Essensreste, Zeichnungen etc.,
    – anständiges Schriftbild, soweit es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar ist,
    – anständige Rechtschreibung, soweit der Arbeitgeber diese beherrschen müßte,
    – keine Eselsohren, Verknitterungen, Übermalungen oder Wasserränder.
    Die äußere Form muß so gestaltet sein, daß beim Leser nicht der Eindruck erweckt wird, der Arbeitgeber distanziere sich vom Wortlaut seiner Erklärung und teile durch die äußere Form mit, daß der Wahrheitsgehalt des Zeugnisses vom Arbeitgeber selbst in Frage gestellt werde.

3. Falzungen und Knicke im Zeugnisbogen

    Alf Bio macht geltend, daß aus den Falzungen des Zeugnisses deutlich werde, daß das Zeugnis nicht ihm persönlich ausgehändigt, sondern zugesandt worden sei. Diese Form der Zeugnisübermittlung lasse auf Unstimmigkeiten mit dem früheren Arbeitgeber schließen. Die Falzungen seien ein unzulässiges Geheimzeichen.
    Diesen Argumenten des Arbeitnehmers ist jedoch nicht zu folgen. Auch wenn der Arbeitnehmer wegen des Arbeitszeugnisses eine Holschuld im Sinne von § 269 BGB hat, stellt die Versendung eines Zeugnisses kein negatives Merkmal dar.
    Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis nachzuschicken. Er muß das Zeugnis nur im Büro zur Abholung bereithalten. Andererseits aber ist die Versendung eines Zeugnisses heutzutage sozialadäquat und normal.
    Es besteht insbesondere keine Verpflichtung des Arbeitgebers, das Zeugnis offen auszuhändigen oder das Zeugnis in einem DIN-A-4-Umschlag ungefaltet und in besonderer Weise durch Verstärkung geschützt zu übersenden.
    Im Ergebnis ist festzuhalten, daß das Übersenden des Zeugnisses in einem normalen Briefumschlag regelmäßig kein Anlaß ist, um auf einen Streit zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zu schließen. Insbesondere werden dadurch regelmäßig nicht die Bewerbungschancen eines Arbeitnehmers beeinträchtigt.
    Allerdings muß das Originalzeugnis kopierfähig sein. Es muß sichergestellt werden, daß saubere Kopien hergestellt werden können, bei denen die Falzungen sich nicht in der Kopie durch eine Schwärzung abzeichnen.
    Schriftlichen Bewerbungen werden regelmäßig Zeugniskopien beigefügt. Es muß sichergestellt sein, daß solche Kopien ordnungsgemäß zu erstellen sind. Bei einer normalen Falzung ist dies jedoch unproblematisch.

4. Persönliche Unterzeichnung

    Wenn der Arbeitgeber am Schluß des Zeugnisses maschinenschriftlich persönlich genannt ist, oder der Geschäftsführer einer GmbH, so muß auch die dort genannte Person das Zeugnis selbst unterschrieben haben. Die Rechtsansicht des Arbeitnehmers Alf Bio ist richtig.
    Zwar ist für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, die der Schriftform unterliegen, anerkannt, daß auch ein bevollmächtigter Vertreter die Urkunde unterzeichnen darf. Dies ist aber für das Zeugnisrecht nicht uneingeschränkt zu übernehmen:
    Sofern der Arbeitgeber durch einen Erfüllungsgehilfen das Zeugnis erstellen und unterschreiben läßt, ist dies möglich. Dann ist jedoch das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichneten sowie dessen Name am Ende des Zeugnisses lesbar wiederzugeben.
    Dies ist deshalb wichtig, weil das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichneten einerseits für die Richtigkeit des Zeugnisses und andererseits für die Wertschätzung des Arbeitnehmers in der Firma aufschlußreich sein kann. Ein Fehlen dieser Angaben kann sich deshalb für den Arbeitnehmer als nachteilig erweisen.
    Deshalb gilt der Grundsatz:
    Der Arbeitgeber muß sicherstellen, daß derjenige das Zeugnis persönlich unterschreibt, der als Aussteller ausdrücklich im Zeugnis genannt wird.
    Wenn der Arbeitgeber selbst im Zeugnis als Aussteller genannt wird, gleichwohl aber nicht unterschreibt, so distanziert er sich gegenüber einem Dritten scheinbar oder tatsächlich vom Inhalt des Zeugnisses. Es kann der Eindruck erweckt werden, daß der Arbeitgeber Max Henkel selbst nicht hinter dem Zeugnis steht, wenn er nicht selbst unterschreibt.
    Sollte der Einwand von Alf Bio berechtigt sein, so muß der Arbeitgeber Max Henkel ein weiteres Zeugnis unterschreiben mit seiner Unterschrift. Sollte aber Max Henkel selbst unterschrieben haben, so ist das Zeugnis in Ordnung. Auf die Qualität der Unterschrift kommt es nicht an. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, im Rahmen seiner Zeugnispflichten einen Kalligraphie- oder Schönschreibkurs zu besuchen.
    Merke: Sollte Max Henkel ein weiteres Zeugnis erstellen müssen, so muß dieses weitere Zeugnis gleichwohl mit dem Datum des ersten Zeugnisses erstellt werden!

>> Nächste Folge: Vorstellungespräche - und wer zahlt die Kosten?
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug